Ein Museum ist ein paradoxer Ort, wo sich Intimität und Öffentlichkeit, Individualität und Menschheitsgeschichte, Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft vermählen.
Das Kunstmuseum setzt sich aus drei Gebäuden (Stettlerbau, Neubau, Hodlerbau) zu einer Triade zusammen. Die Architektur des Neubaus bezieht sich selbstbewusst und unaufdringlich auf die Geschichtlichkeit im kollektiven Gedächtnis der Stadt Bern und auf die Evolution von Natur und Kultur vor Ort. Der Horizont ist offen für Weitsicht wie auch für die kaleidoskopische Nahsicht auf immer Neues und Überraschendes auch im Alten. Ein freundlich offener Bau, eine lichte Landmarke im Stadtkörper auf dem Aaresporn, ein Magnet für die Öffentlichkeit, dem vielfältig individualisierten Publikum.

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C o n t i n u o e s t a c c a t o
Bern auf dem Aaresporn als Stadtkörper aus Sandstein verstanden, wird an der Nordkante der Oberen Altstadt zum Aarehang hin durchbrochen. Zwei Lücken flankieren den Neubau. Der Freistand der drei Bauten betont ihre Entstehung in verschiedenen historischen Epochen. So unterschiedlich ihre Geschichtlichkeiten auch sind, Sandstein und Glas bleiben die verbindenden Materialien der Triade.
Der Neubau ist aareseitig überhöht. Er überragt die Waldkrone am Aarehang und verstärkt dadurch die Präsenz der Museumstriade. Er fügt sich markant in die Silhouette des Stadtkörpers zwischen Kornhausbrücke und Lorrainebrücke ein. Seine Nordfassade aus Glas lässt die Museumstriade als eine lichte Landmarke erscheinen.


Kulturpromenade auf Gneisteppich
Die prominente Triade ist im Berner Kulturnetz der wichtigste Katalysator für die Entwicklung der Hodlerstrasse zur Kulturpromenade (Abschnitt Kornhausbrücke bis Lorrainebrücke). Mit Gneis belegt führt diese vom Meret Oppenheim Brunnen einer Gartenmauer entlang zur Triade.
Der leicht rückversetzte Hodlerbau mit seiner offenen Loggia und der abgerundeten Freitreppe stellt die unmittelbare Sicht auf den Neubau frei. Hier trifft man sich im Bistrot Garten vor der historischen Stadtmauer, über der die Baumkronen des Aarehangs erscheinen.

Die zweifach auskragende Südfassade des Neubaus symbolisiert das diskrete Hineinwachsen der Triade in den Stadtkörper des Unesco-Weltkulturerbes. Dieses Hineinwachsen wird zusätzlich durch ihre Basrelief-Sandstein-Ornamentierung (Kunstauftrag) dynamisiert.
Die öffentliche Eingangszone im Neubau bildet als Urbane Plattform das Kernstück der Kulturpromenade. Sie ist höchst transparent. Wendeflügel strassenseitig, ein grosses Klapptor im Innern und Senkfenster aareseitig öffnen durchgehend die Plattform. Stadtraum, Museumsraum und Naturraum fliessen hier ineinander über. Die Urbane Plattform ist ein attraktiver Ort für Ereignisse verschiedenster Natur.

Links des Haupteingangs ist Cuno Amiets Sgrafitto „Obsternte“ neu platziert mit einer langen Sitzbank davor und dank der Auskragung des Neubaus vor Witterungen geschützt. Das Kunstwerk ist auch von der Querverbindung Speichergasse-Hodlerstrasse aus sichtbar.

Freilegung und Teilrekonstruktion der Ostfassade des Stettlerbaus ermöglichen den Blick hinab ins Atrium und unter der Passerelle hindurch auf den bewaldeten Aarehang mit dem Farngarten, der die Nordfassaden der Triade säumt.
Der alte Eingang des Stettlerbaus ist zu einem Brunnen (Auftragskunst) umfunktioniert. Er erinnert an die Aare im Tal hinter dem Gebäude und wird hier zur Metapher für die Kunst als immerwährende Energiequelle. Das Wasser fliesst aus der Beaux-Arts Fassade in eine Schale auf der rekonstruierten Treppe. Als gehörten sie bereits zum Brunnen, stehen in den Fassadennischen drei Musen. Bern ist die Stadt der Brunnen.

Im offenen Bereich zwischen Stettlerbau und Wurstemberger Cluster verbinden sich Altstadtraum und Naturraum. Hier erschliesst sich das Wegnetz zum Aarehang und zum Werkplatz vor dem Museum (Kunstgüter- und Warenanlieferung).

Das Wechselspiel zwischen neuen und bestehenden landschaftsarchitektonischen und gastronomischen Attraktionen entlang der Kulturpromenade wertet das Klima und die Atmosphäre vor Ort auf.


A r c h i t e k t u r d e r M u s e u m s t r i a d e
Die ornamentierten Sandstein-Fassaden des Neubaus stehen in einem kontrastierenden Bezug zum historisierenden Stettlerbau und zur nüchternen Plattenverkleidung des Hodlerbaus aus den 50er-Jahren.

Die Traufengestaltung bei den Auskragungen der Südfassade des Neubaus bildet den Abschluss des Basreliefs, nimmt optisch die Trauflinien der Nachbarbauten auf und integriert den Neubau in die Strassenflucht.
Die Faltung der Nordfassade entspricht liniengerecht dem Verlauf der Waldfeststellung. Ein weiteres ornamentales Element bilden hier kannelierte Lisenen, die das Regenwasser in den Waldboden leiten.

Im Innern gliedert eine von oben bis unten durchgehende Mittelwand das Gebäude in eine strassenseitige und eine aareseitige Hälfte. Dazwischen schiebt sich die offene Urbane Plattform mit Kasse, Shop, Bistrot, Foyer und abtrennbarem Multifunktionsraum. Sie teilt das Gebäude in eine untere und obere Partie. Im Querschnitt gesehen ordnet sie die Raumstruktur des Gebäudes in vier Quadranten. Ein vielfältiges atmosphärisches Raumpotenzial ist gegeben. Die Erschliessungszonen für das Publikum und das Personal sind innen im Neubau westseitig angeordnet und führen dort auch zum Stettlerbau. In Hodlerbau führt eines neues Treppenhaus (Eingang im EG Bistrot Garten) über alle Stockwerke und schliesst an den Durchgang im 2. UG zum Neubau an. Von der Eingangszone bei der Hodlerloggia läuft die geschwungene bestehende Treppe über zwei Stockwerke nach oben.

Gemeinsam erfüllen die drei verbundenen Gebäude sämtliche Museumsfunktionen; im Neubau das Empfangen, Verköstigen, Ausstellen, Vermitteln, Forschen, Restaurieren, Bewahren und Sammeln; im Stettlerbau vorwiegend die Sammlungspräsentation und die Vermittlung; im zweispännigen Hodlerbau die Verwaltung.


Urbane Plattform und räumliches Ausstellungskonzept
Die Urbane Plattform im EG ist als Space of critical dialogue mit Vorhängen und weiteren mobilen Installationen bestens ausgerüstet für spezielle räumliche, akustische und klimatische Anforderungen.

Die grossen Ausstellungsräume im Neubau stehen im Kontrast zu den kleinteiliger strukturierten Enfiladen im Stettlerbau mit Seiten- und Oberlicht. Doch sind auch im Neubau die Dimensionen, Proportionen und Lichtsituationen (Tageslicht, Kunstlicht und Mischlicht) der Räume unterschiedlich. Vielfältig sind sie bespielbar. Der Boden hat einen mineralischen Fliessbelag. Das Tragwerk der Decke ist lehmverputzt. Die Wände sind für die Hängung und Bemalung leicht zu bearbeiten.

Drei Rundgänge bieten sich vom EG des Neubaus aus an: einer im Stettlerbau, zwei im Neubau. Jener im Stettlerbau führt vom Atrium mit einem Bodenmosaik (Auftragskunst) durch die Enfiladen rund um die sich selbst als Skulptur feiernde Treppe. Im Neubau führt ein anderer Rundgang durch die Zeitgenössischen Räume in den drei Obergeschossen. Strassenseitig sind diese fensterlos. Jedoch bietet im Meret Oppenheim Raum ein präzise platziertes und proportioniertes Fenster direkte Sicht auf den Meret Oppenheim Brunnen. Aareseitig öffnen sich die Räume durch die Fensterfront zum bewaldeten Aarehang. Eine Sitzbank entlang dieser Fenster bietet eine Aufenthaltszone mit Blick sowohl in die Ausstellung wie auch ins Freie. Je nach Geschoss ändert sich die Sicht in oder über die Waldbäume und dementsprechend variiert auch die Lichtsituation. Treppenläufe verbinden die Geschosse bis zum Garten für Skulpturen im DG. Von da aus sieht man auf die Kulturpromenade hinunter und vom aareseitigen Mirador westwärts über die Dachlandschaft des Stettlergebäudes bis zur Reithalle.
Der dritte Rundgang führt im Neubau zur zweigeschossigen Galerie im 2. UG und 3. UG. Ein eingebauter Raum im Raum eignet sich als Blackbox für Medienkunst; der unterste als Project Room.

Bauliche Massnahmen
Durch den Abbruch des Atelier 5-Gebäudes entsteht ein Bauteillager von Stahlträgern, die im Dach des Neubaus ihre Wiederverwendung finden. Für die Einhaltung der Waldabstandslinie und um die Baugrubenausdehnung zu verringern, wird die Bestandesgarantie des Atelier 5-Gebäudes übernommen. Die Vorteile dieser Lösung überwiegen gegenüber einer zeitlich etappierten Erstellung gemäss Wettbewerbsprogramm. Die Räume für den Kulturgüterschutz befinden sich im 5. UG des Neubaus. Der Fussabdruck des Neubau ist so klein wie möglich gehalten.
Die Eingriffe in den bestehenden Bauten sind auf ein Minimum reduziert. Beim Stettlerbau beschränken sie sich auf den Rückbau späterer Umbauten, auf die Freilegung und Rekonstruktion eines Teils der Ostfassade, damit seine Symmetrie wiederhergestellt ist. Im Hodlerbau betreffen die baulichen Massnahmen das Treppenhaus.
Die Tragstruktur des Neubaus besteht aus tragenden Wänden und einem Deckentragwerk aus vorfabrizierten Trogträgern. Ein Kastenträger aus Ortbeton überspannt das Foyer und ermöglicht die quasi stützenlose Urbane Plattform im EG. Die beiden Mittelwände der ebenfalls stützenlosen Ausstellungsräume nehmen die Deckauflager und die lineare Schachtzone auf. Die Aussenwände sind zweischalig und mineralisch.

Project Details

Architecture: Isa Stürm Urs Wolf SA Architects ETH BSA, Zürich.
Franziska/Sebastian Müller Architekten GmbH, Zürich.
Lucie Alioth, Ursula Doering Harlacher, Tobias Krieg, Sebastian Müller, Carolina Palos Mas, Andrés Ruiz Andrade, Tea Savic, Isa Stürm.

Art Historians: Bice Curiger, Jacqueline Burckhardt, Zürich.

Landscape: Ganz Landschaftsarchitekten BSLA, Zürich.
Martin Aeschbacher, Daniel Ganz.

Structural Engineering: Oberli Ingenieurbüro AG, Winterthur.
Urs Oberli.

Sustainability: Brücker + Ernst GmbH SIA, Luzern.
Patrick Ernst.

HVAC: Grünig + Partner AG, Bern.
Thomas Grünig.