Das Kantonsgericht liegt am Palazzoplatz auf der Anhöhe des Oristals gegenüber der Altstadt. Der Bau aus der Gründerzeit des Kantons Basel-Landschaft wurde mehrmals transformiert. Mit der geplanten Erweiterung partizipiert das Kantonsgericht an der baulichen Entwicklung des umliegenden Bahnhofgebietes - eine Chance für die anreisende Richterschaft, die Mitarbeitenden und das Publikum.

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Städtebau und Landschaftsarchitektur

Das Kantonsgericht ist ein Solitärbau der durch seine Masstäblichkeit und Gestaltung situativ spannende Stadträume erzeugt und sich in die gegebenen und zukünftigen Stadträume bestens einfügt.
Der nahezu gleichseitige Baukörper komplettiert das stadträumliche Ensemble um den Palazzoplatz und bietet dem von Hans Wilhlem Auer erbauten Palazzo ein wertiges Gegenüber. Nordseitig nimmt er die Trauffluchten der Regierungsgebäude der unteren Altstadt auf und schliesst die langgestreckten Zwischenräume des Lüdinareals frontal ab. Dazwischen verbindet die neue Wegkaskade Altstadt und Bahnhofbebauung mit verschiedenen Plateaus und Treppen, die den attraktiven Kontext erschliessen: Freihofplatz, Sitzstufen am Orisbach, Herwegh Denkmal, Lüdinwohnhöfe, Kantonsgericht und den Palazzoplatz. Auf dem höchsten Punkt des Orishanges schliesst die Orisbebauung die städtebauliche Höhenstaffelung der neuen Lüdin Bebauung und des Kantonsgerichts von Norden nach Süden ab. Die östliche Gebäudeflanke des Kantonsgerichts fügt sich durch die gestaffelte Gliederung des Baukörpers und der vielfältigen Dachsilhouette in den Masstab der gegenüberliegenden Altstadt und der höhengestaffelten Bebauung des Lüdinarelas ein, ebenso die Westflanke an der Bahnhofstrasse.
Eingriff in den Baubestand
Konzept des Umbaus ist ‚Weiterbauen am Bestand mit Fokus auf 1920‘, dem Jahr der Transformation vom Schulhaus zum Gerichtsgebäude. Es umfasst die Instandsetzung des Altbaus, den Ersatz des Vorbaus am Palazzoplatz und den Anbau einer neuen Gebäudehälfte auf der Nordseite. Die weitergebaute symmetrische Struktur bringt mit zwei spiegelgleichen Gerichtssälen im zentralen Innenhof diese typologische Raumordnung architektonisch auf den Punkt.


Erschliessung

Entgegengesetzte Haupteingänge sind in der besstehenden Baustruktur bereits angelegt: Zuerst war das Schulhaus nach Norden, dann war das Gericht nach Süden orientiert.
Der Haupteingang am Palazzoplatz empfängt das Publikum im Vorbau zwischen den Eckrisaliten. Der Eingang auf der Nordseite führt die Gerichtsbelegschaft über eine konkave Rundung von der Wegkaskade in das Gebäude. Der in die Westflanke integrierte Autolift erschliesst die Parkgarage im Untergeschoss. Die Besuchsparkplätze befinden sich vor dem östlichen, die Anlieferung vor dem westlichen Risalit am Palazzoplatz.


Raumaufbau

Die nordseitigen Verlängerungen der beiden Eckrisalite definieren den zentralen Innenhof mit den Gerichtssälen, Publikumsräumen und der Gerichtsverwaltung im Erdgeschoss und den Büroräumen des Kantonsgerichts auf den Obergeschossen. Ein rundläufiger Wandelgang verbindet alte und neue Gebäudehälften horizontal. Die Vertikalverbindungen erfolgen über die bestehenden Treppenhäuser und eine neue dreiläufige Treppe mit innenliegender Liftkabine.
Die Raumenfilade von Empfangs- und Publikumsbereichen führt vom Vorbau zum Innenhof mit den Gerichtssälen. Der anschliessende Servicegang zur Gerichtsverwaltung verbindet nicht nur alle Räume des Erdgeschosses direkt.
Auf den Obergeschossen befinden sich im Altbau die grossen im Neubau die kleinen Büroräume des Kantonsgerichts (Fensterachsen/Büroflexibilität). Die Bürozellen für konzentriertes Arbeiten sind nach Norden, die Besprechungszimmer nach Osten und Westen und die Aufenthaltsräume zum fluktuierenden Palazzoplatz nach Süden orientiert. Im Bereich der Kanzleien erweitern Bibliothekszonen die Wandelgänge. Unter den nördlichen Eckrisaliten erweitern geschützte Dachterrassen die Aufenthaltsbereiche.


Fassaden

Die ‘ent-purisierte und re-rustifizierte’ Fassadensanierung des Bestands orientiert sich für den Weiterbau an der Fassadengestaltung von 1920! Die beiden Gebäudehälften verbinden sich nahtlos durch die Fassaden. Die alte und neue Rustifizierungstextur über dem Laufener Kalksockel kodiert sie archaisch wie in einer Steintafel.
Die Südfassade repräsentiert die Hauptfassade im historischen Verbund mit dem Palazzo. Der vertiefte Vorhof zwischen den Südrisaliten ist bis auf die originale Grundmauer der Schule wiederhergestellt und interpretiert die Befensterung von 1920. Im eingeschossigen Vorbau dazwischen befindet sich der Empfangsbereich. Unter dem linsenförmigen Vordach strahlt der in der Kalksteinschale ruhende Wasserspiegel materielle und visuelle Balance aus.
Ost- und Westfassade schliessen unterhalb der nördlichen Frontispizien an die Eckrisaliten an und ergänzen das Ensemble mit den abgerundeten Dachrisaliten. Die neue mineralische Gebäudehülle interpretiert Fenster und Textur des angrenzenden Bestands. Der Kalksteinsockel nimmt den nach aussen verspringenden Grundriss weiter auf und folgt den Terrainlinien von Trottoir und Orishang.
Die Nordfassade formuliert den Bezug zwischen Plateau, Wegkaskade und Gebäude. Fassadenproportion und Sockelgestaltung korrelieren mit den Regierungsgebäuden vor der Altstadt. Die vorgelagerte Rampe aus Weissbeton erschliesst den Windfang des nördlichen Eingangs und endet als Aussichtsterrasse über dem Herwegh Denkmal. Der konkave Fassadenumriss nimmt die Form der Denkmalrückwand auf und verankert das Gebäude situativ ins Oristal. Im Innenhof schliesst eine Glasfassade mit umlaufender Brisesoleil an die Eckrisaliten an.


Konstruktion, Materialisierung, Technik

Die Decken-Stützen Betonkonstruktion ist vom Altbau getrennt und hat nichttragende Fassaden. Der freie Grundriss ist im Erdgeschoss erkennbar. Im Bestand sind die Wandstruktur der früheren Schulzimmer erdbebenertüchtigt, die Öffnungen der Süd- und Nordfassaden instandgesetzt.
Die neuen Lehmaussenwände mit der horizontal umlaufenden Kammstruktur und die Brises Soleil des Innenhofs übernehmen den Rapport der grauen Verputzstreifen des Bruchsteinmauerwerks. Der Sockel aus Laufner Kalkstein verbindet alt und neu am Boden. Die bestehenden Holzfenster sind instandgesetzt oder rekonstruiert. Die neuen Eichenfenster mit seitlich integrierter Lüftung sind grau lasiert. Im Inneren übernehmen sie den Farbton der Eichenriemen des Bodenbelags. Die Anstriche der glatt verputzten Innenwände haben warme Farben, der feine Akustikdeckenputz reflektiert das Licht.
Die mit grünlichem Kupfer eingedeckte Holzkassettenkonstruktion überspannt Gerichtssäle und Vorzimmer, das gerundete Oberlicht streut Tageslicht ins Innere. Eichenpanelen bekleiden die Wände, Kalkplatten belegen den Boden.


Haustechnik

Die beiden Technikzentralen im Untergeschoss erschliessen die Steigzone in den nördlichen Eckrisaliten. Die Geschossverteiler befinden sich in alten Fensteröffnungen. Die Gerichtssäle sind über die UG Decke zentral klimatisiert, die Büros individuell mit Fenstergeräten belüftet. Horizontalverteilungen von Heizung und Elektro sind im Bodenaufbau integriert. Dank der grossen Speichermasse der dicken Lehm- und Bruchsteinaussenwände hat das Gebäude ein über das ganze Jahr ausgeglichenes Klima und braucht wenig Energie für Wärme und Kühlung. Das Projekt verspricht eine nachhaltige und ortsangemessene Bauweise.

Project Details

KANTONSGERICHT BASELLAND

Erweiterung und Umbau
Liestal, Kanton Baselland

Wettbewerb im offenen, einstufigen Verfahren


Auftraggeberin: Bau- und Umweltschutzdirektion des Kanton Basel-Landschaft


Architektur: Isa Stürm Urs Wolf SA
Nadja Furler, Marcus Maier, Basile Specker, Isa Stürm.